Überblick

Im Aufbaumodul 1 habe ich die vier Seminare "Bodycheck 4.0", "Feindliche Übernahme", "Verschlungene Pflanzenformen" und "Intensivkurs LOVE HUMANS mit dis.art." belegt. Ausgehend davon und insbesondere von den Seminaren "Feindliche Übernahme" und "LOVE HUMANS" habe ich mich mit unserem Umgang mit der digitalen Welt auseinandergesetzt.

Unter dem ersten Menüpunkt stelle ich kurz meine Arbeit in den vier Seminaren vor und gehe auf meinen Fokus ein. Danach folgen die Arbeiten, die ich zu diesem erstellt habe. Als Letztes findet man unter ‚Kontexte‘ Beispiele für Arbeiten von KünstlerInnen, die sich mit gleichen oder ähnlichen Themen beschäftigen.

Seminare und Fokus

Bodycheck 4.0

Im Seminar "Bodycheck 4.0" haben wir uns sehr offen und in jeglicher Hinsicht mit Körpern beschäftigt. Jede/r konnte selbst entscheiden, womit sie/er sich auseinandersetzen möchte. Gespickt wurde die offene Atmosphäre des Austausches mit Beispielen aus der Kunstwelt.

Mir diente eine alte Schaufensterpuppe, die viele Jahre im Garten und dem Wetter ausgeliefert stand, als Ausgangspunkt für eine Fotoserie. Beim Saubermachen der Puppe habe ich mich teilweise gefühlt, als würde ich mich um einen anderen Menschen kümmern, obwohl das natürlich nicht vergleichbar ist, aber das Waschen der menschlichen Formen und die Sperrigkeit des Körpers beim Heben in und aus der Badewanne haben ein ähnliches Gefühl vermittelt.

Die offensichtlich unmenschliche Gestalt mausert sich zum Träger von Gefühl und als Gegenstand zur Identifikation. Sie wird mit Frischhaltefolie und Alufolie eingeengt (oder konserviert), wird gefesselt an sich selbst gehängt und hinterlässt eine Hülle. Die gewalttätig anmutenden Bilder, die auch an Leichensack oder Erstickung erinnern, leben von der Spannung zwischen Gegenstand und Mensch.

Feindliche Übernahme

Dieses Blockseminar hat sich der Arbeitswelt und den Möglichkeiten, kreative Formen in ihr einzusetzen, gewidmet. Zu Beginn führten wir Interviews mit Leuten aus unserem Umfeld, die wir anschließend als Ansatz für eine Intervention genommen haben, deren Konzept wir abschließend vorgestellt haben (die tatsächliche Umsetzung musste dabei nicht möglich sein).

Ich habe ein Interview mit einem Online-Marketing Manager geführt, indem er die Notwendigkeit einer effektiven Online-Präsenz und die damit einhergehenden Schwierigkeiten beleuchtet. Die Intervention, die ich daraus geplant habe, betont den Druck des speziellen Arbeitsplatzes der Google-Suchanfragen und macht den Google Speaker (in Anlehnung an Alexa und co.) zu einem Mittel der Kontrolle und Beeinflussung (also mehr als ohnehin schon).

Interview (übertragen in Vortragsform)

PDF öffnet sich beim Anklicken

Intervention

die Powerpoint Datei kann durch Anklicken heruntergeladen werden (Audiomaterial enthalten)

Verschlungene Pflanzenformen

In diesem Seminar haben wir uns, wie der Titel vermuten lässt, mit Pflanzenformen beschäftigt. Innerhalb mehrerer Stunden haben wir gemeinsam (und in Präsenz) Formen aus der Natur gezeichnet, durch Blätter gelegt oder durch das Malen auf Blätter verändert. Außerdem haben wir nach geometrischen Strukturen in der Natur, hyperbolischen Ebenen und dem goldenen Schnitt gesucht. Das Seminar ging überwiegend sprechend und experimentierend vonstatten. Abschließende Arbeiten haben wir nicht entwickelt, im Gruppen- und Zweiergespräch haben wir uns jedoch über die Erscheinungen der Natur und unsere Wahrnehmungen ausgetauscht. Einige mathematische und künstlerische Bezüge wurden ergänzend geliefert.

Die Arbeit in und mit der Natur hat gerade auch als Abwechslung nach 3 Coronasemestern einen angenehmen Ausgleich geleistet. Es ging in erster Linie um das genaue Schauen, das im eigenen Zimmer vor dem Laptop über Zoom an Bedeutung verliert. Praktische gestalterische Übungen haben den eigenen Blick verstellt. Blätter wurden als Material genutzt. Die Vielfalt, die in der Natur liegt, wurde erforscht und entdeckt und bot einen gegenteiligen Erfahrungsschatz zu der Vielfalt im digitalen Raum.

LOVE HUMANS

In LOVE HUMANS wurden die "großen" Fragen der Menschheit gestellt. Wohin mit dem ganzen Atommüll, den wir provisorisch zwischenlagern? Wie können wir späteres Leben daran erinnert und klarmachen, dass dieser Müll gefährlich ist? Wie wird die Welt in vielen Jahrzehnten oder Jahrtausenden aussehen? Wie erzählen wir unsere Geschichte? Wie definieren wir uns als Menschheit? Die meisten dieser Fragen blieben weitestgehend ungeklärt, aber wir haben uns mit diesen Fragen beschäftigt und versucht, mögliche Antworten zu finden. Wir wurden zu einem weiten Blick in die ferne Zukunft motiviert und mit den großen Strukturen und Trends unserer Gesellschaft, allen voran der Digitalisierung der Welt, konfrontiert. Als Hauptarbeit im Seminar sind wir in Paaren und Gruppen zusammengekommen, in denen wir gemeinsam ein Concept Paper für ein Video erarbeitet haben, also eine Art Skizze inklusive Skript, die erahnen lässt, wie das Video aussehen soll.

Das Concept Paper, das ich in Partnerarbeit erstellt habe, beleuchtet einen Umgang mit Digitalität, wie er in der Zukunft möglich wäre. Es geht um Avatare als künftige Lebensformen und was dieses Abbild, das wir nicht selbst sind, mit uns macht. Die sprachliche Behandlung unserer Fragen in unserem Skript fiel uns schwerer als die visuelle Aufbereitung. Da wir am Ende mit dem Ergebnis beide nicht besonders zufrieden waren, sehe ich (oder wir beide) erstmal davon ab, die Skizze als Video umzusetzen (auch weil ich das Animieren in dem Maße nicht beherrsche).

Das vorerst fertige Concept Paper mit dem Titel "Hey it's Me/You!_" ist unter einem eigenen Menüpunkt (auf der linken Seite) zu finden. (Feedback folgt noch durch die Leiterinnen des Seminars). Hier mein persönliches Mural zu dem Seminar LOVE HUMANS:

eigenes Mural zum Seminar LOVE HUMANS

Fokus

Neben der thematischen Beschäftigung mit Technologie und deren Einfluss auf unser Leben, kam der digitalen Kommunikation gerade unter Corona eine besondere Rolle zu. Sie ermöglichte, überhaupt in den Austausch zu kommen.

Motivation

Wir leben in einer Zeit, in der das Internet eine fundamentale Rolle für unser Leben einnimmt, wir sind produktiv im Netz und arbeiten, informieren uns, wir scrollen, tippen, klicken und konsumieren völlig wahllos. Wir richten die Aufmerksamkeit auf eine Fülle von Bildern und Informationen und verlieren dabei alle aus dem Blick. An die Zeit, die man in sozialen Medien oder allgemein dem Internet verbringt, erinnert man sich meist kaum. Nichtsdestotrotz beeinflussen die Bilder und Informationen, die wir sehen und aufnehmen, unsere Wahrnehmung von der Welt und damit unsere Einstellungen. Gerade für Heranwachsende (aber auch Erwachsene) kann das verherrende Folgen haben.

Mark Zuckerberg spricht im Hinblick auf das zukünftige Metaversum von Avataren als Repräsentanten unserer Existenz in der virtuellen Welt (siehe 'Hey, it's Me/You!_'). Abgeschwächte Formen eines 3D und durch die VR-Brille erfahrbaren Avatars existieren als Bilder, Accounts, Videos bereits heute im Internet. Auf Facebook, Instagram, TikTok, Snapchat und ähnlichen Plattformen reproduzieren wir uns ständig selbst, stellen uns dar, zeichnen Bilder von uns, die anderen gefallen oder auf eine bestimmte Art aufgenommen werden sollen. Wir erschaffen uns neu, können so sein, wie wir es im echten Leben nicht sind und sein wollen, verfälschen Bilder mit Filtern und Bearbeitungsprogrammen. Sind die bearbeiteten gefilterten Bilder unserer Zeit nicht schon Avatare, basierend auf einem echten Menschen, idealisiert und letztlich nicht mehr real oder menschlich? Wo liegt die Grenze? Und wollen wir Avatare sein? Diese Fragen haben mich in der Auseinandersetzung mit unserer Internetkultur und unserer Selbstdarstellung beschäftigt.

Däumlinge

In „Erfindet euch neu! - Eine Liebeserklärung an die vernetzte Generation“ (2013) widmet sich Michel Serres den veränderten Umständen, unter denen die heranwachsende Generation groß wird. Das Leben der jungen Generation spielt sich in der virtuellen Welt ab, welche andere kognitive Prozesse erfordert als analoge Medien. Informationen werden anders gespeichert, verbreitet und aufgenommen. Serres betont, dass die neue Generation daher über andere Gehirne verfügt als frühere Generationen und, dass sie in einem anderen Raum (dem digitalen Raum) lebt. Mit Blick auf die Fähigkeit, mit Daumen und Handy außerordentlich schnell zu schreiben, bezeichnet Serres die junge Generation als "Däumlinge".

Die Daumen ermöglichen die Kontaktaufnahme, sie sind gewissermaßen die Verbindung in die digitale Welt. Aber wie sehen die Bewegungen aus, die wir so routiniert und ständig mit unseren Daumen machen?

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Eye-Track Me Down

Beim Ansehen von Posts in sozialen Medien geht es nicht um das genaue Anschauen, Betrachten und Wahrnehmen von Bildern oder Informationen, sondern um schnelles und von Dopamin begleitetes Erleben, Unterhaltung, und darum die Aufmerksamkeit auf alles und nichts zu richten. Wir sind nicht nur mit idealisierten und reduzierten Inhalte konfrontiert, wir nehmen sie auch reduziert durch kurze Aufmerksamkeitsspannen wahr, werfen einen oder zwei Blicke darauf und scrollen weiter.

Die Bilder, denen wir im digitalen Raum begegnen, werden für diese Kultur des Wischens und Weiterscrollens gemacht, sollen auf einen Blick "gut gefunden" werden. Damit dem nächsten Bild die kostbare Aufmerksamkeit geschenkt werden kann.

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Avatar Loading

"Avatar Loading" ist eine Reihe, die aus einem Versehen bei der Bildbearbeitung entstanden ist. Mit der pixeligen Darstellung verschwimmt die Grenze zwischen realer Person und ladendem Avatar.

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Hey, it's Me/You!_

Im Seminar LOVE HUMANS (WiSe21/22) haben eine Kommilitonin und ich in Zusammenarbeit das folgende Concept Paper erstellt.

Hier das vorläufige Ergebnis (Stand März 2022) als PDF.

Und als Ausdruck:

Avatars on Instagram

"Avatars on Instagram" widmet sich den verschärften Schönheitsidealen und Normen, die in sozialen Medien wie Instagram herrschen, und führt sie ad absurdum.

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Hier noch eine Auswahl an Versuchen und Experimenten:

Kontexte

Schon immer interessiert sich die Kunst für neueste technologische Fortschritte - weil sie neue Möglichkeiten eröffnen und sie unser Leben und unsere Gesellschaft maßgeblich beeinflussen. Seit das Internet unsere Welt erobert hat, beschäftigt sich die Internet Art mit Möglichkeiten, Grenzen und Problemen dieser Errungenschaft. Die Post-Internet Art geht schließlich vom Internet als Grundvoraussetzung aus.

Im Folgenden einige Beispiele für KünstlerInnen und Arbeiten, die sich mit Digitalität auseinandersetzen:

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Signe Pierce (*1988)

In dem Film „American Reflexxx“, mit dem Signe Pierce 2013 viral geht, spaziert sie stumm über eine Promenade in South Carolina, gekleidet in ein kurzes blaues Kleid, High Heels und mit einer Spiegelmaske über dem Gesicht. Innerhalb kürzester Zeit wird aus der harmlos anmutenden Situation eine beunruhigende, in der Pierce beschimpft, beworfen und geschubst wird. Mit ihrer Maske, die sie trotz Aufforderungen nicht abnimmt, hält sie den Menschen buchstäblich einen Spiegel vor, was darin zu sehen ist, ist Intoleranz, Übergriffigkeit und Gewalt. Pierce zufolge sind die gefilmten Szenen bezeichnend für die Einstellungen in der Welt, ‚andersartige‘ Menschen herabwürdigen zu können und zu dürfen und die eigenen Vorstellungen aufzuzwingen. Sie karikiert die Reduktion von Frauen auf Sexualobjekte, die nach wie vor oder eher mehr denn je in sozialen Medien praktiziert wird. Dafür schlüpft sie selbst in die Rolle der Klischee-Blondine, die in der realen Welt keinen Respekt genießt. Ihr Ziel ist es, den Menschen einen Spiegel vorzuhalten, um aufzudecken, wie wir die Welt wahrnehmen und miteinander umgehen. Sie arbeitet mit pastelligen Rosa und Pinktönen und Übersättigung, stellt Hyperrealität dar, die Verbindung von ‚echter‘ Realität und der Realität, die wir online erschaffen.

https://www.instagram.com/signepierce/?hl=de

Arvida Byström (*1991)

Arvida Byström ist ein schwedisches Model und Künstlerin, die überwiegend mit Fotografie arbeitet. Dabei zeigt sie sich selbst unrasiert (wie bei einer Adidas-Werbekampagne 2017 für deren Bilder sie Hasskommentare und Drohungen erhält), beschäftigt sich mit Menstruation und kritisiert gültige Schönheitsideale. Zusammen mit Molly Soda veröffentlicht sie 2017 “Pics or It Didn't Happen: Images Banned From Instagram”, eine Sammlung von 270 Bildern, die von Instagram gelöscht wurden und meist unzensierte weibliche Körper zeigen. Bei einer Gruppen-Ausstellung “EgoUpdate”, die 2015 in Düsseldorf gezeigt wird und Fragen zum digitalen Ich unserer Zeit stellt, nähert sie sich mit ihren überinszenierten Selbstbildnissen dem ,Selfie'.

https://www.arvidabystrom.se/

https://www.instagram.com/arvidabystrom/?hl=de

Molly Soda (*1989)

Molly Soda ist eine Internet-Performance-Künstlerin, die ihre Arbeit sowohl online als auch in Galerie-Installationen präsentiert. Mit ihrer Arbeit untersucht sie die Internetkultur, die technologische Vermittlung des Selbst und wie sich diese auf die eigene Identität und auf die Sicht auf die Gesellschaft auswirkt. Im Jugendalter ist sie auf unterschiedlichen Blogging-Plattformen unterwegs. Während sie in New York studiert, wird sie mit ihrem Tumblr Account innerhalb der Szene eine kleine Berühmtheit. 2015 veröffentlicht Molly Soda im Rahmen ihres Projekts „Should I Send This?“ unter anderem eigene Nacktselfies. Damit möchte sie ausdrücken, dass Frauen die Kontrolle über die Darstellung von ihnen übernehmen sollten, indem sie sich selbst fotografieren. „Who’s Sorry Now“ ist ein Webcam Performance Video aus dem Jahr 2017, ein Selbstporträt, das Soda in einem Hotelzimmer zeigt: Sie ist allein, weint, sitzt im Dunkeln. Sie zeigt eine Seite, die man im Internet üblicherweise nicht präsentiert und die den schillernden Bildern voller Glück und Schönheit widerspricht. Zu ihrer Arbeit sagt sie: „I think we all present a character online and we’re turning ourselves into these avatars and creating these 2D personas for people to see. It’s a very human impulse to want to do that because you can’t do that in real life. […] And I think it really affects the way that people interact with each other because it’s like we’re not seeing everyone’s like humaneness.“ Gegen diese Entwicklungen versucht sie sich zu wehren.

https://www.instagram.com/bloatedandalone4evr1993/?hl=de

Leah Schrager (*1983)

Leah Schrager ist eine amerikanische Künstlerin, die sich mit weiblicher Sexualität und dem männlichen Blick auseinandersetzt und diesen herausfordert. 2015 erstellt sie den Instagram-Account „OnaArtist“ mit dem Ziel, eine Berühmtheit zu erschaffen. Bis heute hat sie mit leicht bekleideten Pinup-Bildern 5 Millionen Follower angezogen. Bei ihren „Infinity Selfies“ der Serie „SFSM“ (Safe for social media) behält Schrager die Kontrolle darüber, was wir von ihr zu sehen bekommen. Auf der Suche nach dem, was sich in der Mitte des Bildes befindet, wandert der Blick immer tiefer ins Bild hinein, ohne irgendetwas erkennen zu können. Mit den Selfies, die sie von sich macht, übernimmt sie selbst die Rolle der Fotografin (als Model stand sie bis 2012 vor der Kamera männlicher Fotografen) und kann sich selbst erkunden. In Schragers Performance „Angles on a Woman“ fotografiert sie sich 2019 an einem Hotel Pool für mehrere Stunden mit einem Selfie-Stick und macht dabei die schwierigsten und unnatürlichsten Posen. Damit stellt sie den Entstehungsprozess des ‚perfekten‘ Selfies aus. Die Reaktionen auf die Performance fallen gemischt aus, viele verspotten die Künstlerin. Der Rahmen der Arbeit (Instagram) macht sie nicht als Kunst kenntlich. Schrager wiederum findet genau das spannend und sieht die Relevanz in Bezug auf die Frage danach, was Kunst kennzeichnet/kennzeichnen muss. „I think for me art is a bit of a reclaiming of myself as a body and as an image and as a powerful woman.“

https://leahschrager.com/

https://www.instagram.com/leahschrager/?hl=de

Nicole Ruggiero (*?)

Nicole Ruggiero ist eine 3D-Künstlerin aus New York, die ihre Arbeiten ausgehend vom Internet und Online-Trends entwickelt. Sie untersucht die Einflüsse von Technologie auf Kultur und legt diese offen. Sie betont die soziale Konditionierung des Internets und bringt verschiedene Emotionen zum Ausdruck, die sich auf die Selbstdarstellung im Internet beziehen.

https://nicoleruggiero.com/

https://www.instagram.com/nicoleruggiero/?hl=de

Juno Calypso (*1989)

Juno Calypso ist eine britische Fotografin, die sich in ihrer Arbeit mit Feminismus, Isolation und Selbstständigkeit auseinandersetzt. Als junge Frau möchte sie erst Modefotografin werden, entwickelt aber ausgehend davon ihre eigenen satirischen Bilder. Ihr fiktives Alter Ego ‚Joyce‘, eine frustrierte, einsame Hausfrau, inszeniert sie in ungewöhnlicher Umgebung. Ihre gleichnamige Serie „Joyce“ nimmt Calypso in verschiedenen Hotelzimmern auf. Ihre Bilder zeigen den Wunsch nach Perfektion, es geht um Schönheitsideale und moderne Normen, die Frauen unterdrücken. Calypso versucht allerdings auch vorsichtig mit der Darstellung von Frauen umzugehen und möchte nicht, dass ihre Bilder als ‚echt‘ missverstanden werden. 2016 nimmt Calypso ihre Serie „The Honeymoon“ in einem Flitterwochen-Resort in Pennsylvania auf. Auf den Bildern ist nur sie, bzw. Joyce zu sehen, in einer Umgebung, die eigentlich für Paare gedacht ist. Ob es dabei um Trost durch Einsamkeit, Liebe zu sich selbst oder Egoismus geht, wird nicht klar. Auch dieser Umstand macht die Unheimlichkeit der Bilder aus.

https://www.junocalypso.com/

https://www.instagram.com/junocalypso/?hl=de

Amalia Ulman (*1989)

2014 startet Amalia Ulman ihre Arbeit „Excellences & Perfections“, bei der sie sich auf ihrem Instagram-Account selbstinszeniert. Indem sie dieses Projekt im Nachhinein als Täuschung ausgibt, unterscheidet sie sich von den herkömmlichen Instagramern und macht auf die Selbstdarstellung und die Realitätsferne auf Instagram aufmerksam. Sie sieht sich nicht als Instagram-Künstlerin, sondern als Netzkünstlerin, die die Plattform unserer Zeit benutzt.

https://amaliaulman.eu/

https://www.instagram.com/amaliaulman/?hl=de

Stephanie Sarley (*1988)

Stephanie Sarley ist eine amerikanische Multimedia-Künstlerin, die vor allem für ihre „Fruit Art Videos“ bekannt ist, die seit 2015 auf Instagram kursieren. Es geht ihr um weibliche Sexualität, Zensur und die Ermächtigung von Frauen. Das Löschen ihrer Fotos auf Instagram fügt ihrer Arbeit nach eigener Aussage eine neue Ebene hinzu – ihre Fotos werden zu einer Form von Protest. Über die Kopie ihrer Arbeit ärgert sie sich, insbesondere wenn bekannte Persönlichkeiten/Unternehmen ihre Werke kopieren und im Unterschied zu ihr keine Sperrung oder Löschung durch Instagram folgt (wie die Sängerin Miley Cyrus mit einem Promo-Video von 2019). Dieser Umstand zeige den Einfluss von Privilegien und Klassenunterschiede auf die Welt innerhalb Instagram.

https://stephaniesarley.com/

https://www.instagram.com/stephanie_sarley/?hl=de

Emma Stern (*1992)

Emma Stern ist eine New Yorker Künstlerin, die sich in erster Linie als Malerin identifiziert. Die Figuren, die immer wieder in ihren Bildern auftauchen und mehr Fabelwesen als Menschen sind, nennt sie ihre ‚Girl-Gang‘. Für Stern sind diese Avatare Aspekte ihrer eigenen Persönlichkeit, die sie mehr und mehr kennenlernt. Ihre Figuren erinnern an Animes und Computerspiel-Avatare, glänzen (meist) in Pink, Lila und Blau, ihre Bilder sind sexuell aufgeladen. Für Kritik an ihren Arbeiten, an der Freizügigkeit und an dem Eindruck, dass die ‚Frauen‘-Wesen sehr jung wirken, hat Stern kein Verständnis. Sie reflektiert mit ihren Bildern Erinnerungen und Gefühle aus ihrer Jugendzeit. Damit fühlt sie sich berechtigter für diese Motive als Männer, die Frauenkörper schon immer darstellen.

https://www.emmatstern.com/

https://www.instagram.com/lava_baby/?hl=de

Izumi Miyazaki (*1994)

Die surrealen Photoshop-Selfies, die Izumi Miyazaki gestaltet, bringen unseren Versuch zum Ausdruck, uns in den sozialen Medien für unser Publikum neu zu erschaffen. Ähnlich wie Molly Soda beginnt sie ihre Bilder 2012 auf Tumblr zu veröffentlichen. In den skurrilen Kompositionen und traumhaften Themen ihrer Bilder ist Humor immer auch mit Traurigkeit und Einsamkeit verbunden. Die Kamera wird zum Mittel der visuellen Manipulation. 2018 bringt sie mit „Me and Me“ eine Sammlung von Selbstporträts heraus.

https://www.instagram.com/izumiyazakizumi/?hl=de

LaTurbo Avedon

Seit 2008 existiert LaTurbo Avedon nur online, in digitalen Welten wie Second Life oder Fortnite, wo es Kunst schafft. Kunst und KünstlerIn können nicht getrennt werden, die Kunst ist die/der KünstlerIn: visuell wird Avedon durch einen Avatar repräsentiert, echte Menschen hinter diesem Avatar werden nicht zugegeben. Arbeitet man mit dem Künstler/der Künstlerin, trifft man den Avatar in der digitalen Welt. Der Avatar stellt eine hellhäutige Frau mit blonden Haaren, blauen Augen und zarten Gesichtszügen dar. In der Arbeit „Browsing“ aus dem Jahre 2015 sind nur ihr Kopf und Teile ihres Torsos zu sehen. Die Bewegungen ihrer Augen und ihres Körpers (sowie der Titel) zeigen schnell, dass sie (der Avatar) durch das Internet ‚browsed‘. Mit der Zeit verändert sich schleichend die Farbe ihres Haars, ihrer Augen und ihrer Kleidung. Ein Avatar, der sich transformiert, wie sich Technologie transformiert.

https://www.laturboavedon.com/

Eva & Franco Mattes (*1976, *1976)

Eva und Franco Mattes zählen zu den Pionieren der Netzkunst und setzen sich in ihren Arbeiten subversiv mit dem Internet und sozialen Medien auseinander. Ab 2006 entstehen mehrere Werke, die auf dem Videospiel Second Life basieren. In ihrer Serie „Portraits“ (2006-2007) drucken sie Aufnahmen von Avataren, die in Second Life aufgenommen wurden, auf Leinwände und stellen diese ungewöhnlichen Porträts aus. Diese Arbeit beinhaltet mehrere interessante Aspekte, wie die Frage nach Originalität. Indem sie sich der Darstellung von Charakteren bedienen, die andere Menschen erstellt haben, weisen sie auf die ständige Reproduktion in unserer Welt und die Unmöglichkeit hin, etwas völlig Neues und von anderem Unabhängiges zu schaffen. Gleichzeitig impliziert der Titel „Portraits“, dass die Abbildungen Darstellungen bestimmter Personen sind. Das Künstlerpaar sieht den Avatar als Form eines Selbstporträts, in dem sich nicht das tatsächliche Aussehen niederschlägt, sondern das Gewollte. Damit werden ihre Aufnahmen zu Bildern von Selbstporträts. In Performances innerhalb des Videospiels Second Life stellen sie historische Beispiele nach, wie beispielsweise das Tapp- und Tastkino von VALIE EXPORT.

https://0100101110101101.org/

https://www.instagram.com/evaandfrancomattes/?hl=de

Scott Kildall (*1969)

Auch Scott Kildall arbeitet mit dem Videospiel Second Life. Etwa zeitgleich mit Eva und Franco Mattes Arbeiten beginnt Kildall seine Druck- und Performance Serie „Paradise ahead“ (2007), in der er historische Performances nachstellt und damit die reale Welt mit der digitalen Welt verbindet. Kildall setzt sich in seinen Arbeiten durchgehend mit neuen Technologien auseinander. Das Projekt „Tweets in Space“ entsteht in Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Nathaniel Stern, und geht 2012 wie folgt von statten: innerhalb von 30 Minuten kann jeder Mensch auf der Welt (mit Internet) Tweets verfassen, die mit dem richtigen Hashtag #tweetsinspace gesammelt und einige Wochen später via Radiowellen zu einem Exoplaneten (GJ667Cc) gesendet werden, der möglicherweise (theoretisch) außerirdisches Leben unterstützen könnte. Die Radiowellen sind 22 Jahre unterwegs bis sie an GJ667Cc ankommen. Insgesamt kommen über 1500 Nachrichten zusammen, die Botschaften reichen von Grüßen an Aliens über Sorgen um die Zukunft der Erde zu Fragen an die Existenz außerirdischen Lebens. Das Projekt soll dazu anregen, über Leben und Kommunikation jenseits unserer Grenzen und unseres Verständnisses (sowohl räumlich als auch zeitlich) nachzudenken. Wie drückt man sich im Namen der Menschheit gegenüber außerirdischem Leben aus?

https://kildall.com/

https://www.instagram.com/kildall/?hl=de

Nathaniel Stern (*1977)

Nathaniel Stern, der mit Scott Kildall das Projekt „Tweets in Space“ realisiert hat, arbeitet in einer Vielzahl von Medien. Für seine Arbeit „Are Computers Racist?“ (2021) lässt er von einer künstlichen Intelligenz sieben Bilder erstellen, die auf textbasierten Aufforderungen beruhen. Die entstandenen Bilder werden, wie bei KI üblich, durch die Informationen bestimmt, mit denen der Computer/die KI „gefüttert“ wurde. Damit ist ein Computer immer so rassistisch, wie die Eingaben implizieren. Während aus den Eingaben ‚Porträt eines Schlägers‘ (Portrait of a Thug) und ‚Porträt von Randalierern‘ (Portrait of Rioters) Menschen mit dunklerer Haut resultieren, ist auf dem von der KI erstellten ‚Porträt der idealen Frau‘ (Portrait of the Ideal Woman) und dem ‚Porträt des idealen Mannes‘ (Portrait of the Ideal Man) nur helle Haut zu sehen.

https://nathanielstern.com/

https://www.instagram.com/nathanielstern/?hl=de

Andy Kassier (*1989)

Andy Kassier ist ein deutscher Konzeptkünstler und Fotograf. 2013 schafft Kassier sein Alter Ego, mit dem er sich auf Instagram in seiner Performance „success is just a smile away“ ironisch mit dem Narrativ von Reichtum und Glück auseinandersetzt. Seine Selbstdarstellung treibt er mit Prunk und Kitsch an die Spitze. Die Performance führt er weiterhin fort. 2018 stellt Kassier zusammen mit Signe Pierce aus: „on the internet, nobody knows you’re a performance artist“. Beide arbeiten mit Stereotypen und Rollenklischees, die sie im Internet präsentieren und hinterfragen.

https://andykassier.com/

https://www.instagram.com/andykassier/?hl=de

Refrakt

Refrakt ist ein Berliner KünstlerInnen-Duo, das sich mit ihren Arbeiten zwischen analoger und digitaler Welt bewegt. In ihren Mixed-Reality Installationen untersuchen sie die sich verändernden Wahrnehmungsmodelle in Bezug auf mobile und digitale Technologien. Die Augmented Reality-Installation „Slide to Expose“ (2016) entsteht in Zusammenarbeit mit Molly Soda und Nicole Ruggiero. Der private Raum einer fiktiven Person kann genau betrachtet werden. Der sonst so intime, aber auf Instagram normale Einblick in die privaten Räume wird in der realen Welt absurd und beklemmend.

https://refrakt.org/

https://www.instagram.com/refraktstudio/?hl=de

Richard Prince (*1949)

Richard Prince ist ein amerikanischer Künstler, der mit seiner Appropriation Art Autorschaft sowie Originalität hinterfragt. Berühmt wird er mit seinen Fotos, die er in den 80ern von Marlboro-Anzeigen aufnimmt (und die für mehrere Millionen Dollar verkauft werden). 2014 ist zum ersten Mal seine Serie „New Portraits“ zu sehen, in der er seinen Instagram Feed ausstellt. Posts von jungen Frauen eignet er sich an und demonstriert dabei auch seine Macht, indem er die subjektiven Selbstdarstellungen objektiviert. Eine Vielzahl von Frauen, die auf den Posts zu sehen sind, fühlen sich angegriffen, gehen gerichtlich gegen Prince vor und fordern, die Ausstellung nicht zu zeigen. „New Portraits“ wird 2019 im Contemporary Museum of Art in Detroit und 2020 in der Kunstgalerie Gagosian in Beverly Hills erneut gezeigt. Auf der einen Seite sind die Betroffenen, die seine Arbeit als unethisch, rücksichtlos und peinlich bezeichnen. In der Kunstwelt wird seine Serie andererseits als Anstoß für wichtige Fragen gesehen, die angesichts der exzessiven Nutzung sozialer Medien heutzutage bedeutender denn je sind: Ermächtigen soziale Medien uns Menschen? Wozu willigen wir beim Posten ein? Ist jede Fotografie ausbeuterisch? Welche Erwartungen haben wir in den sozialen Medien an Privatsphäre?

http://www.richardprince.com/

https://www.instagram.com/richardprince_official/?hl=de

Graham Fink (*1960)

Graham Fink ist ein Multimedia Künstler und Kreativdirektor. 2015 zeichnet er während einer Performance „Drawing With My Eyes“ mithilfe einer von ihm entwickelten Software mit seinen Augen. Das Kunstwerk entsteht durch seinen Blick und die Technologie, die es ermöglicht. Mit seiner Performance wirft er Fragen nach der Definition eines Künstlers sowie der Verbindung von Technologie und Kunst auf.

https://grahamfink.com/

https://www.instagram.com/graham_fink/?hl=de

Robbie Cooper (*1969)

Robbie Cooper ist ein britischer Künstler, der mit vielen verschiedenen Medien arbeitet. 2003-2006 stellt Cooper bei seinem Projekt “Alter Ego” Porträts von Menschen in der echten Welt ihren digitalen Repräsentationen, ihren Avataren, gegenüber, die diese Menschen in Computerspielen ‘verkörpern’. Motiviert durch seine Erfahrungen mit ‚bildschirmsüchtigen‘ Menschen in „Alter Ego“ und inspiriert durch den systematischen, ‚wissenschaftlichen‘ Ansatz von Bernd und Hilla Becher entsteht von 2008 bis 2014 „Immersion“, eine Serie von Porträts, die Menschen vertieft in ihre Bildschirme zeigen. Die Inhalte, die die porträtierten Menschen konsumieren reichen von Peppa Pig über GTA bis hin zu Pornografie und Horrorfilmen. Es geht um das Beobachten und Beobachtet-Werden. Oft schaut man den Personen direkt in die Augen, wodurch ein voyeuristisches, intensives Gefühl erzeugt wird. „Immersion“ ist ein Dokument der Aufmerksamkeitsökonomie, an der wir täglich teilnehmen.

https://robbiecooper.com/